Drittes Spiel für Flick: Die Isländer putzt man nicht mal einfach weg

Torjubel der deutschen Spieler

Das letzte Auswärtsspiel des DFB-Teams in Island ist trotz des torlosen Unentschiedens auch nach 18 Jahren im kollektiven Gedächtnis Fußballdeutschlands geblieben, denn der damalige Bundestrainer Rudi Völler hatte die Kritik am Auftritt seiner Mannschaft mit seiner legendären Wutrede gekontert. In der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 muss die deutsche Auswahl unter Völlers Amtsnachfolger Hansi Flick heute nun erstmals wieder in Reykjavík antreten.

Damals wie heute ist es ein Duell der Gegensätze, wenn sich Island und Deutschland begegnen: Auf der einen Seite der abgeschiedene Inselstaat am Rande des nördlichen Polarkreises, auf der anderen Seite die größte Volkswirtschaft Europas im Herzen des alten Kontinents. Mit ungefähr 360.000 Einwohnern würde Island bei den bevölkerungsreichsten deutschen Städten zwischen Bochum und Wuppertal rangieren.

Trotzdem konnten die Isländer in der jüngeren Vergangenheit bemerkenswerte Erfolge im internationalen Fußball feiern – vor allem natürlich das sensationelle Erreichen des EM-Viertelfinales 2016 nach einem 2:1-Achtelfinalsieg über England. Doch auch schon bei einem EM-Qualifikationsspiel im September 2003 war es ihnen gelungen, den deutschen Vizeweltmeister des Vorjahres gehörig zu ärgern.

Das 0:0 im Laugardalsvöllur-Stadion war eines der trostloseren Sorte. Die deutsche Auswahl zeigte sich in der Offensive ideenlos und ohne viel Durchschlagskraft. Bundestrainer Völler verfolgte im Anschluss an die Partie im ARD-Studio, wie das Kult-Duo Gerhard Delling und Günter Netzer die deutsche Spielweise mit markigen Worten kritisierte. Im folgenden Interview mit Waldemar Hartmann verlieh Tante Käthe seiner Wut darüber Ausdruck – mit noch markigeren Worten. Es würde zu lange dauern, alle Aussagen aufzuzählen, die mittlerweile fest im Sprachschatz Fußballdeutschlands verankert sind. Ein „Tiefpunkt” wurde so jedenfalls zu einem Höhepunkt der Sportberichterstattung.

DFB-Team mit breiter Brust nach Eroberung der Tabellenspitze

Auch wenn Völler meinte, niemand könne verlangen, dass „wir hierherfahren und die Isländer 5:0 wegputzen”, gab sich die deutsche Auswahl in den folgenden Duellen doch keine Blöße mehr – man traf allerdings seither auch nur zweimal aufeinander. Sowohl im Rückspiel einen Monat nach der Tiefpunkt-Tirade als auch im Hinspiel der laufenden WM-Qualifikation feierte man einen 3:0-Heimsieg. Im März dieses Jahres stellte man durch zwei Treffer von Leon Goretzka und Kai Havertz schon früh die Weichen auf Erfolg. Später sorgte İlkay Gündoğan für den Endstand.

Nun reist das DFB-Team also erstmals wieder für ein Auswärtsspiel zur größten Vulkaninsel der Erde. Im Gepäck hat die Mannschaft zwei Siege unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick. Nach einem holprigen Start beim 2:0-Pflichtsieg über Fußballzwerg Liechtenstein löste man Armenien mit einem überzeugenderen 6:0 als Gruppenersten ab. Island dagegen droht mit nur vier Punkten nach der Hälfte der zehn Qualifikationsspiele das Verpassen der Endrunde. Der bislang einzige Sieg gelang beim 4:1 gegen Liechtenstein und dabei ließ man den einzigen Treffer des Außenseiters im laufenden Wettbewerb zu.

Vieles spricht also für den ersten Auswärtssieg einer deutschen Auswahl in Island seit der Wiedervereinigung. In diesem Fall – und höchstwahrscheinlich auch sonst – wird es wohl nicht zu einer Neuauflage der Wutrede eines Bundestrainers kommen. Schade eigentlich.

Titelbild: AFP

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