Der Fall Türkgücü kennt nur Verlierer – außer 1860

Nahaufnahme von Mann mit Geld in der Hand im Hintergrund ein Stadion

Dass Türkgücü München den Spielbetrieb in der dritten Liga während der Saison einstellen muss, sorgt überall für lange Gesichter. In erster Linie natürlich bei den Angestellten des Vereins, aber auch beim DFB und vielen Konkurrenten. Nur in Giesing dürfte sich Genugtuung breit machen – allerdings hinter vorgehaltener Hand. Die Münchner Löwen profitieren auch sportlich vom Rückzug des ungeliebten Lokalrivalen.

Über die Rolle von Investoren im deutschen Fußball kann man trefflich streiten. Und natürlich verfügen auch diejenigen, die Geldgebern bessere Einstiegsmöglichkeiten verschaffen wollen, über durchaus berechtigte Argumente: Im internationalen Vergleich verliert man ansonsten möglicherweise endgültig den Anschluss. Die nationalen Kräfteverhältnisse sind zudem zementiert und die Schere zwischen Arm und Reich klafft mit jedem Jahr weiter auseinander. Gegen Champions-League-Millionen und ungleich verteilte Fernsehgelder kommt ein kleiner Verein niemals an – selbst wenn dort jahrzehntelang gut gearbeitet wird. Investoren sind eine mögliche Antwort auf diese Schieflage.

Der Fall Türkgücü zeigt jedoch das Risiko, das damit einhergeht. Hauptgesellschafter Hasan Kivran und Geschäftsführer Max Kothny wollten den Verein zur zweiten Kraft in München machen. Zunächst verlief alles nach Plan und es gelang der Durchmarsch von der Landesliga bis in den Profifußball. Doch wie fragil das Gebilde eigentlich war, wurde deutlich, als die steile Entwicklung stagnierte und man in der ersten Drittligasaison nur im Tabellenmittelfeld landete. Die ungeduldigen Entscheider reagierten mit Trainerwechseln und Spielertransfers. Heute weiß man, dass sie dabei Misswirtschaft betrieben haben. Dass dies ungehindert geschehen konnte, wirft auch kein gutes Licht auf den DFB, der genau so etwas mit seinen Lizensierungsverfahren verhindern soll.

Kivran verlor in dieser Zeit offenbar die Lust an seinem Projekt. Das ist die Krux mit den Investoren: Wenn Wohl und Wehe eines Vereins an der Gunst einer Person hängen und sich diese abwendet, bricht alles zusammen. Die Chronologie: Im Dezember 2020 kündigte Kivran erstmals seinen Rückzug an, kurze Zeit später machte er jedoch einen Rückzieher. Nach einem missglückten Börsengang im August 2021 folgte dann der Insolvenzantrag im Januar 2022. Weil kein neuer Investor gefunden wurde, musste Türkgücü nun den Spielbetrieb einstellen. Die Leidtragenden sind die Mitarbeiter: Spieler, Trainer und Angestellte der Geschäftsstelle.

Sechzig profitiert doppelt

Die zweite Kraft in München bleiben damit bis auf Weiteres die Löwen – das freut nicht nur die 1860-Fans, sondern alle Traditionalisten in Fußballdeutschland. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der Rückzug von Türkgücü den TSV nun auch noch zurück ins Aufstiegsrennen befördert. Sämtliche Spiele des insolventen Vereins werden nämlich aus der Wertung genommen. Da die Löwen aus den beiden Partien nur einen Punkt geholt hatten, verlieren sie im Vergleich zu den Konkurrenten deutlich weniger.

Ebenjene sind davon nicht gerade begeistert, allen voran der 1. FC Saarbrücken. Die Molschder verloren satte sechs Punkte und den Relegationsplatz. Dagegen will man nun rechtlich vorgehen. In einer Stellungnahme schrieben die Saarbrücker: „Es kann nicht sein, dass Klubs unverschuldet dafür bestraft werden, dass andere Vereine unter Aufsicht des DFB Misswirtschaft betrieben haben.”

Foto: sutadimages / Adobe Stock

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