Eigentlich ja doch ein ganz netter – Warum wir Kevin Großkreutz plötzlich mögen

Kevin Großkreutz (AFP)

Über Kevin Großkreutz ist schon viel geschrieben worden. Von einem „polarisierenden Typen“ ist da oft die Rede, den man entweder liebt oder hasst. Anlässlich seines kürzlich verkündeten Karriereendes hat der „Dortmunder Junge“ allerdings zwei Fernsehauftritte hingelegt, die ihm neue Sympathiepunkte eingebracht haben könnten.

Einige Leser wollen bemerkt haben, dass Kicker-Freunde den Hype kritisch sieht, der im vergangenen Jahrzehnt um Borussia Dortmund entstanden ist. Das schließt natürlich auch Kevin Großkreutz mit ein, der wie kaum ein zweiter für die „Echte Liebe“-Kampagne steht. Als kleiner Junge stand er schon als Fan auf „der Süd“, hat sich über die Jugendmannschaften und den Umweg Rot Weiss Ahlen in die Dortmunder Profimannschaft gekämpft. Dort feierte er in der Klopp-Ära sensationelle Erfolge und stand trotz seiner oft zitierten technischen Limitierungen sogar im Kader, der 2014 die Weltmeisterschaft holte.

Doch der Werdegang des Kevin Großkreutz zeigt ebenso, dass es mit der Malocher-Romantik im Ruhrpott eben manchmal nicht so weit her ist und dass es mit der „Echten Liebe“ halt manchmal so eine Sache ist. Am Ende des Tages ist Borussia Dortmund ein normaler Verein, der zudem noch die Bedürfnisse von Aktionären zu befriedigen hat. Wer nicht mehr gut genug ist, der muss gehen, da kann noch so viel schwarz-gelbes Blut durch die Adern fließen. So kam es, dass Großkreutz den BVB 2015 verlassen musste. Weder in Istanbul noch in Stuttgart, Darmstadt oder Uerdingen kam er so richtig gut zurecht und so hat er im Januar 2021 das Ende seiner Profikarriere verkündet.

Ein „anderer“ Großkreutz auf ARD und Pro7

Zwei Fernsehauftritte in der vergangenen Woche zeigten ein ganz anderes Bild des Mannes, dessen Kritiker bislang nicht müde wurden, Eskapaden von Dönerwürfen, Hotelloby-Urinalen oder Millieu-Schlägereien herbeizuzitieren. Zunächst war Großkreutz unter der Woche zu Gast im „Sportschau Club“ der ARD. Jenem Format, dass sich bemüht, den „Menschen hinter dem Fußballprofi“ mit all seinen liebenswerten Eigenschaften zu zeigen. Moderator Alexander Bommes tritt stets wohlwollend auf, da besteht selbst für Kevin aus Dortmund wenig Gefahr auf ein Fettnäpfchen.

Stattdessen plötzlich ein Klos im Hals: Die Video-Botschaft von Großkeutz‘ früherem Mentor Jürgen Klopp sowie die anschließende Reaktion des Show-Gastes selbst dürften niemanden kalt gelassen haben. Klopp sprach von „einem der besten Typen“, die er jemals habe trainieren dürfen, von einer BVB-Legende und von einem heutigen persönlichen Freund. Großkreutz standen die Tränen in den Augen und er war fast sprachlos. Wahrscheinlich waren die Klopp-Jahre beim BVB doch etwas Besonderes für alle, die daran beteiligt waren.

Wenige Tage später war Großkreutz dann auch im Privatfernsehen zu sehen. Im Pro7-Format „Schlag den Star“ trat er gegen Handball-Weltmeister Pascal Hens an. Bei der Show tragen die Kontrahenten eine überlange Serie von Minispielen gegeneinander aus. Fast fünf Stunden, in denen mitunter auch das schlechteste in den Teilnehmern zum Vorschein kommt. Doch Großkreutz bot seinen Kritikern einfach keine Angriffsfläche. Zur Begrüßung überreichte er dem Moderator ein von seinem Kind gemaltes Porträt und seinem Gegner als Mitbringsel einen Briefbeschwerer in Form von Schlägel und Eisen, um seiner Herkunft Tribut zu zollen. Schon da entgegnete Hens, der selbst nichts mitgebracht hatte: „Jetzt stehe ich dumm da“.

Der Kampfgeist, der ihn zum Weltmeister gemacht hatte

Im weiteren Verlauf der Show gab sich Großkreutz durch die Bank fair und bescheiden, egal ob in Sieg oder Niederlage. Bei den Sport-Spielen streckte er stets in einer Mischung aus Anstrengung und kindlicher Freude die Zähne raus, was teilweise an Stefan Raab, den Erfinder des Formats, erinnerte. Bei den Pult-Spielen, bei denen insbesondere Sportler oftmals erstaunliche Lücken offenbaren, blamierte sich der Dortmunder nicht. Immerhin kannte er Alexei Nawalny und antwortete fast drollig auf die Frage nach dem Bayerischen Ministerpräsidenten: „Markus Söder, oder?“.

Am meisten beeindruckte aber Großkreutz‘ Kampfgeist, etwa wenn es darum ging, einen Tischtennisball mit dem dazugehörigen Schläger möglichst oft über ein hohes Hindernis zu bugsieren, ohne dass er auf den Boden aufkommt. Mit beeindruckendem Eifer jagte Großkreutz jedem scheinbar noch so aussichtslosen Ball hinterher und erreichte die meisten noch irgendwie.

Vielleicht war es dieser Kampfgeist, mit dem er über Jahre hinweg beim BVB seinen Platz auch gegen vermeintlich talentiertere Kollegen behaupten konnte. Gepaart mit dem Stolz, für seinen Herzensverein zu spielen, ließ dieser Kampfgeist einen normalen Jungen aus dem Ruhrpott über sich hinauswachsen. Kicker-Freunde wünscht Kevin Großkreutz alles Gute und hofft, ihn bald in neuer Funktion im Bundesliga-Zirkus wiederzusehen.

(Foto: AFP)

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