„Dunkle Wolke über der Nationalelf“ – Was ist dran am Bierhoff-Plädoyer?

Spieler der deutschen Nationalmannschaft joggen zum Aufwärmen

Oliver Bierhoff hat sich zu Wort gemeldet. Der Teammanager der deutschen Nationalmannschaft sieht das Trainerteam und die jungen Spieler von der Öffentlichkeit ungerecht behandelt. Hat er recht?

Das habe ihm einfach auf dem Herzen gelegen, so der Teammanager in einer Pressekonferenz vor der neuerlichen Länderspiel-Serie. Bierhoff legte mit seinem Anliegen direkt los, ohne auf eine Frage oder ein Stichwort aus dem Plenum zu warten.

Seit 2018 seien Sympathien verspielt worden, die natürlich nicht „mit einem Fingerschnipsen oder einem Slogan zurückgewonnen“ würden, so Bierhoff. Das ist wahr. Bierhoff brachte die Thematik dann schnell wieder mit dem Dauerthema, der Troika Hummels-Boateng-Müller, in Verbindung. So lange deren Rückkehr so vehement gefordert werde, unterminiere dies die so harte Arbeit von jungen Spielern wie Leroy Sane oder Niklas Süle.

Leistungsprinzip versus stabiles Mannschaftsgefüge?

Diese könnten sich im Schatten von solchen Größen auch nicht richtig entfalten, so der Teammanager sinngemäß. Dazu zog Bierhoff gleich den ganz großen Vergleich. Nämlich den mit Ex-Weltfußballer und Weltmeister Lothar Matthäus, der zur WM 1998 ins DFB-Team zurückgekehrt war. Im Schatten einer solchen Persönlichkeit hätten sich dann weniger etablierte Spieler automatisch etwas zurückgezogen, erzählte Bierhoff, der das Turnier 1998 selbst als Spieler miterlebte.

Unabhängig davon, ob Hummels, Boateng und Müller nun mit Lothar Matthäus zu vergleichen sind, hat Bierhoff natürlich Recht, was die reine Kapazität angeht. Ein Kader ist begrenzt und wenn Spieler A dabei ist, muss Spieler B automatisch draußen bleiben. So durfte Julian Brandt nicht mit zur EM 2016, während Leroy Sane vor der WM 2018 durch das Raster fiel. Die etablierten Granden wie Müller oder Özil waren hingegen – anscheinend leistungsunabhängig – immer gesetzt.

Nun ist es ja bekannt, dass im System Löw oftmals die Etablierung eines Kernteams wichtiger erscheint als die aktuelle Form eines bestimmten Spielers. Für den derzeit dienstältesten Bundestrainer weltweit muss sich stets ein bestimmtes Mannschaftsgefüge herausbilden, damit die berühmten „Automatismen“ sitzen und der Erfolg maximiert wird.

Sympathien werden nicht durch Gegentore verspielt

Was jedoch, wenn dieser Erfolg ausbleibt? So geschehen bei der WM 2018 und in einigen – mehr oder weniger bedeutsamen – Spielen seither. Dann wackelt dieses Mannschaftsprinzip naturgemäß und die Forderung nach den derzeit formstarken Alt-Internationalen wird stärker.

Diese Tatsache sollte jedoch nicht verwechselt werden mit der Frage nach den Sympathien. Die deutsche Defensive wirkt derzeit anfällig, doch das tat sie auch schon 2018 mit dem Abwehr-Duo Hummels/Boateng. Sympathien verspielte „Die Mannschaft“ nicht durch Gegentore, sondern durch fehlende Fannähe, Marketing-Overload, einen Mannequin-haften Bundestrainer, zu hohe Ticketpreise und Spieler, die wahlweise eher durch den „Loser“-Jubel aus Fortnite oder durch gigantische Pelzmäntel auffielen als durch fußballerisches Engagement. Da können die Medien auch nicht viel ausrichten.

(Foto: AFP)

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