EM-Special: Vorschau auf die Achtelfinals, Teil 1

Collage mit Gareth Bale von Wales und Yussuf Poulsen von Dänemark

Nach der Vorrunde lässt sich eine Bilanz ziehen und ein Ausblick wagen: Alle Favoriten sind noch dabei. Kaum jemand hat sich eine Blöße gegeben. Es bleibt also spannend. Über die deutsche Ausgangsposition wurde bereits reichlich gesprochen: Das Achtelfinale ist mit dem England-Spiel in Wembley eine Riesen-Herausforderung. Sollte diese geschafft werden, befindet man sich allerdings in der vermeintlich leichteren Hälfte des Turnierbaums.

Ob man dies aber so pauschal sagen kann, lässt sich bezweifeln. Schließlich hat sich das DFB-Team nun schon oft genug gegen die sogenannten „kleineren“ Gegner schwergetan. Ungarn trieb die Nationalmannschaft an den Rand einer Niederlage, während Portugal auf beeindruckende Weise geschlagen wurde. Kicker-Freunde wagt einen Ausblick auf die ersten vier Achtelfinal-Partien.

Wales gegen Dänemark

Zwei Teams, denen nicht jeder das Weiterkommen zugetraut hat. Wales holte mit dem Unentschieden gegen die Schweiz und dem Sieg gegen die Türkei exakt die „Pflichtpunkte“, die man für das Achtelfinale benötigte. Bemerkenswert, dass Kapitän Gareth Bale beim Sieg gegen die Türken doch noch einmal zeigte, wozu er fähig ist. Den notorischen Madrider Bankdrücker wähnten viele bereits über seinen Zenit hinaus.

Dänemark hat mit dem furiosen Spiel gegen Russland für das emotionale Highlight des bisherigen Turniers gesorgt. Nach zwei Niederlagen zum Auftakt hat man es mit dem 4:1 doch noch auf den zweiten Platz geschafft. So etwas kann beflügeln.

Tendenz: Dänemark

Italien gegen Österreich

Bei dem Klischee vom ewigen Catenaccio hielt man es lange kaum für möglich, doch es ist wahr: Italien spielt bislang mit Abstand den schönsten und besten Fußball der Europameisterschaft. Die gewohnte und prognostizierte Defensivstärke kombiniert sich mit traumwandlerisch sicherem Kombinationsspiel. Am Ball hat immer jemand eine gute Idee und fast alle Feldspieler strahlen Torgefahr aus. Drei Siege aus drei Spielen, 7:0 Tore, insgesamt seit 1.000 Minuten ohne Gegentor und seit 30 Spielen ungeschlagen: Die aktuelle Mannschaft gehört zu den besten, die das Land des viermaligen Weltmeisters jemals aufgeboten hat.

Da müssen die Österreicher um David Alaba erstmal dagegenhalten. Die Alpenrepublik hat gegen giftige Nordmazedonier den ersten Endrunden-Sieg überhaupt eingefahren, sich in Amsterdam die erwartete Niederlage abgeholt und dann mit einem couragierten Auftritt gegen die Ukraine den zweiten Platz in der Gruppe eingetütet. An guten Tagen ist die mit Bundesligaspielern gespickte Mannschaft durchaus zu Großtaten fähig, doch die Latte liegt diesmal sehr hoch.

Tendenz: Italien

Niederlande gegen Tschechien

Neun Punkte, die volle Ausbeute – das lief rund für Oranje. Die Rädchen scheinen ineinander zu greifen und auch der so lange stiefmütterlich behandelte Wolfsburger Torjäger Wout Weghorst wurde reibungslos in die Mannschaft integriert. Als „Brecher“ im Strafraum könnte Weghorst das Element sein, das der ansonsten stark besetzten Elftal noch gefehlt hatte. Lediglich die Ukraine zeigte, dass das niederländische Team durchaus verletzbar ist und egalisierte den scheinbar komfortablen 2:0 Vorsprung binnen weniger Minuten vorübergehend. Im Achtelfinale muss Holland allerdings die heimische Johan-Cruyff-Arena verlassen und nach Budapest reisen. Man wird sehen, wie es ohne die Zuschauerunterstützung der Vorrunde klappt.

Bei Tschechien konzentrierte sich die Aufmerksamkeit zunächst vor allem auf Patrick Schick. Seinem sensationellen 50-Meter-Tor gegen Schottland ließ der Stürmer gegen Kroatien einen martialischen Muskelmann-Torjubel inklusive blutiger, angeschwollener Nase folgen. Dann hatte es sich allerdings so langsam ausgeschickt. Gegen Kroatien bekam man noch den Ausgleich und gab mit einem biederen Auftritt gegen England noch den zweiten Platz aus der Hand. Das tschechische Team ist durchaus solide, kann aber nicht an die glänzende fußballerische Vergangenheit des Landes anknüpfen.

Tendenz: Niederlande

Belgien gegen Portugal

Jetzt geht es erstmals richtig heiß her, denn beide Teams sind mit Stars gespickt. Den Belgiern bescheinigten viele vor dem Turnier, ihren Zenit erreicht oder sogar überschritten zu haben. Wenn, dann hätte man 2016 oder 2018 eine Trophäe holen müssen, so der Tenor. Eden Hazard hat zwei schwierige Jahre mit fast keiner Spielpraxis hinter sich, Kevin De Bruyne sich im Champions-League-Finale im Gesicht verletzt. Doch es scheint, als sei vor allem De Bruyne in der Form seines Lebens und fest entschlossen, endlich einen internationalen Titel zu gewinnen. Zudem liefert Romelu Lukaku wie gewohnt ab. Einmal in Fahrt gekommen, ist der wuchtige Angreifer eine Naturgewalt, vor der keine Defensive sicher ist.

Das gilt natürlich nach wie vor auch für Cristiano Ronaldo. Von den vielen Superlativen, die der Beau aus Madeira wieder aufgestellt hat, referierte Kollege Jirasek bereits ausführlich. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass drei seiner fünf Vorrundentreffer per Elfmeter erzielt wurden. Trotzdem: Kommt CR7 in eine halbwegs aussichtsreiche Schussposition, ist der Ball in der Regel im Tor. Daran ändern die 36 Lebensjahre gar nichts. Die Vorrunde vermochte nicht so recht Aufschluss darüber zu geben, wozu die hochgelobte und an Ballkünstlern reiche portugiesische Mannschaft imstande ist. Eine defensivstarke ungarische Mannschaft wurde in den letzten zehn Minuten noch besiegt. Wohlgemerkt: Dies haben die anderen Gruppengegner nicht geschafft. Von einer gut aufgelegten deutschen Elf wurde Portugal dann überrollt, bevor man gegen den amtierenden Weltmeister aus Frankreich wiederum gut mithielt. Die Iberer geben Rätsel auf.

Tendenz: Belgien

(Foto: AFP)

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